Samstag, 29. August 2009

Nordkap

71°10'21" lautet die magische Zahl! Der imposante, quadratische Schieferfelsen, der sich als 300 Meter hohes Plateau senkrecht aus dem Eismeer erhebt, ist Ziel unzähliger Nordlandreisender. Zu dieser Jahreszeit brauchen wir allerdings keine Angst vor den Touristenmassen zu haben. Als wir die letzten 100 Kilometer auf der Porsangerhalbinsel in Angriff nehmen, sind wir völlig allein. Wie verängstigt klebt die Straße an der Steilküste, rechts geht der Blick weit über den riesigen Porsanger, schon eher ein Meer als ein Fjord. Weicht das Küstengebirge zurück, so reichen doch bizarr aus dem Fels geschnittene, blättrig geschichtete und oft beängstigend ausgewaschene Felstürme bis zum Straßenrand. Delphine ziehen spielerisch ihre Kreise in einer ruhigen Bucht, links und rechts der Straße weiden die allgegenwärtigen Rentiere.




Dreißig Kilometer vor dem Ziel gilt es noch einen Sund zu überqueren, zur allerletzten Insel, die den Namen Magerøya trägt - die "magere Insel". Ein 7 Kilometer langer Tunnel unter dem Meer führt steil hinab bis in eine Tiefe von mehr als 200 Metern.
Für uns wird es die Fahrt zum "Kap der guten Hoffnung", denn bis zum Schluss hoffen wir, dass sich die dicke Wolkendecke nicht heruntersenkt und alles in grauen, nassen Nebel hüllt. Aber wir haben Glück! Als wir am weltweit nördlichsten Punkt stehen, der auf einer Straße erreichbar ist, ist der Blick frei - der Blick hinaus zum (nur) 2093 Kilometer entfernten Nordpol.


Reisende, die das Kap mit dem Kreuzschiff erreichen, gönnen sich jetzt in der "Aurora Borealis - Bar" Champagner und Kaviar. Bei uns wird es ein "Räubertopf" aus der Dose und Rotwein, den wir vorsorglich eingekühlt haben (nicht im Kühlschrank - der Bus selbst ist die Kellerzone).



Am Ziel deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen:
dein Wandern zum Ziel.

Marie von Ebner Eschenbach

Mittwoch, 26. August 2009

Ein beerenstarkes Land


Wir fahren mit dem Wohnmobil daher, lassen die Landschaft wie einen Endlosfilm an uns vorbeiziehen, denn das Nordkap ist noch fern. Ein kurzes Vertreten der Beine und wir stehen mitten im Beerenteppich. Der Tisch ist reich gedeckt! Kaum ein Gang abseits der Straße, von dem wir nicht etwas Schmackhaftes aus dem großen Wildgarten der nordischen Natur mitbringen können.
Die nordskandinavische Beere schlechthin, die Schwarzbeere wechselt sich ab mit Rauschbeere, Krähenbeere und Preiselbeere. Die Königin der Beeren für die Norweger aber ist die nach Birnenkompott schmeckende Moltebeere - die Beliebteste und die Seltenste.





Noch die kleinste Pfütze spiegelt den Himmel.

Weisheit aus Litauen

Sonntag, 23. August 2009

Hvalsenteret Andenes

In Andenes, einem Hafenort an der Nordspitze der Inselgruppe Vesterålen gelegen, befindet sich eines der größten und anerkanntesten Walforschungszentren der Welt. Ungefähr zweihundert Pottwale, ausnahmslos Männchen, halten sich hier am Kontinentalabhang auf, um sich für die Weibchen, die in südlicheren Meeren warten, den Bauch vollzuschlagen. Der dickste und größte Bulle wird von den Walkühen erhört. Vor Andenes ist der Kontinentalabhang besonders nahe an der Küste und wie eine Schlaufe geformt. Hier wird besonders viel Tiefenwasser hochgespült, das ein reiches Nahrungsangebot mit sich bringt: der rechte Ort, um das Wettessen zu beginnen. Die Männchen erreichen dabei ein Gewicht von bis zu 75 Tonnen und eine Länge von 20 Metern.
Die Pottwale gehören zu den Zahnwalen, die in die Tiefsee hinuntertauchen, um hier zu jagen. Wie man am Mageninhalt erlegter Wale und an den Verletzungen der Haut erkennen kann, nehmen die Tiere es sogar mit den furchterregenden Riesenkraken auf.
Jedes Individuum ist an seiner speziellen Schwanzflosse erkennbar, diese ist so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Auch die Klicklaute sind den einzelnen Tieren genau zuzuordnen.
Wir haben die Möglichkeit im Rahmen einer Walsafari eines der Forschungsschiffe zu begleiten! Nach ungefähr einer Stunde Fahrt auf rauer See stoppt das Schiff das erste Mal die Motoren. Die Männer beziehen ihre Beobachtungsposten, einer von ihnen hoch oben im Mastbaum. Mit Kopfhörern für die Klicklaute und natürlich mit Ferngläsern beginnt die konzentrierte Suche. Alles schaut gebannt auf das dunkle Wasser! Im Führerhaus wird die Tiefe mit Hilfe des Echolots abgesucht. Nach ungefähr einer halben Stunde Horchen, Fahren, Horchen, Fahren... ist es soweit: Der erste Graurücken ist in der Ferne auszumachen, leicht zu erkennen an der fauchenden Wasserfontäne über dem Atemloch. In Schleichfahrt nähert sich das Schiff vorsichtig an.
Viermal gelingt es uns, die beeindruckenden Meeressäuger ausfindig zu machen. Die längste Beobachtung dauert 10 Minuten, ehe das Tier mit senkrecht emporgestreckter Schwanzflosse abtaucht.

Im Trollfjord

In rascher Fahrt verlässt unser Schiff den geschäftigen Hafen von Svolvær. Die einsame Insel Lille Molla zieht vorbei, eine Lachsfarm, Bergzacken, einer wilder als der andere. Als wir den Trollfjord erreichen, schieben sich die Felswände immer enger zusammen. Wie durch eine enge Gasse gleitet das Schiff auf dem dunklen Fjordwasser.
Bei der Rückfahrt verspricht man uns Seeadler, die zum Schiff kommen sollen! Wer's glaubt, wird selig! Einer der Schiffsleute beginnt gelangweilt Brotstücke ins Wasser zu werfen und lockt so eine Reihe von Möwen an, die fortan in elegantem Flug unser Schiff begleiten. Am Boden neben dem Mann steht ein Kübel voller Fisch. Ich bin gerade dabei, die Möwen zu filmen, als sie plötzlich alle, wie auf Kommando abdrehen - und weg sind sie!

Hoch oben schwebt der erste Seeadler, gleich drauf sind es zwei. In immer enger werdenden, konzentrischen Kreisen schrauben sie sich herab und stürzen sich schließlich auf den ihnen zugeworfenen Fisch. Die Schwingen haben eine Spannweite von mindestens zwei Metern, den scharfen Augen und den tödlichen Krallen entgeht nichts.


Gelassenheit schärft den Blick für das Wesentliche.

Chinesische Weisheit

Dienstag, 18. August 2009

Lofoten

Wenn man mit der Autofähre von Bodø nach Moskenes übersetzt und sich die Beine gegen die vibrierende Reling gestemmt, der Zackenlinie der rund 150 Kilometer langen Inselkette nähert, wird klar, warum die Wikinger den Lofoten einst den Beinamen "Insel der Götter" gegeben haben. Durch unzählige Brücken und einen Meerestunnel verbunden, führt die schmale Euopastraße E 10 durch dramatische Landschaft. Spiegelglatte, schwarze Felsen, vom Gletscher überformt, stürzen in das kristallklare Wasser der Fjorde hinab. Dem Gebirge vorgelagert liegen schmucke Fischerdörfer auf den flachen Inseln und Säumen der Strandflate. Die Nordseite der Insel ist dem offenen Atlantik und der untergehenden Sonne (Mitternachtssonne) zugewandt und besticht mit ihren blendend weißen Sandstränden.


Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Joseph Freiherr von Eichendorff


Wenn im Spätwinter der Dorsch aus der Barentsee im Eismeer zu seinen Laichgründen vor den Lofoten zieht, kommen Fischer vom Festland zur Inselgruppe, in der Hoffnung auf reichen Fang. Die Hälfte der Fische wird zur Herstellung des Törrfisk auf Trockengestellen aufgehängt. Nach zwei Monaten hat der Stockfisch 80 % seines Wassergehalts verloren und wird stocksteif und "brettlhart" in der ganzen Welt als Delikatesse gehandelt. Die im Sommer leerstehenden Fischerhütten werden als "Rorbuer" an die Touristen vermietet. Besonders die von starken Meeresströmungen durchfluteten Sunde zwischen den Inseln sind so fischreich, dass an manchen Stellen das Wasser vor Fisch zu kochen scheint.

Donnerstag, 13. August 2009

Im Land der Mitternachtssonne


Heute haben wir endgültig den Norden des Landes erreicht. Mit dem Überschreiten des Polarkreises sind wir im Land der Mitternachtssonne angekommen. Jetzt im August senkt sich der Lauf der Sonne zwar unter den Horizont, aber die Nächte sind kurz und dämmrig. Wenn das Wetter es zuläßt, können wir Sonnenuntergänge genießen, die die Welt zwei Stunden lang in warmes, rotes Licht tauchen. Nicht selten kommt es vor, dass wir noch um acht Uhr am Abend zu einer Wanderung aufbrechen.



Marmorslottet

Der Svartisen - "das Schwarze Eis" - ist der zweitgrößte Gletscher Norwegens. Unzählige Bäche stürzen vom Plateaugletscher und seinen mehr als sechzig Gletscherzungen herab. Einer von ihnen durchströmt die Marmorschlucht. Das hellblaue Wasser der Gletschermilch hat sich im harten Marmorfelsen in unglaublichen Formen seinen Weg gebahnt. Strudeltöpfe reihen sich aneinander. Fast sieht es so aus, als wäre das Wasser selbst im Stein erstarrt. In den Formen und Farben der Felsen findet man die Bewegung des Wassers wieder: senkrechte Wasserlinien, gekräuselte Wasserflächen, spritzende Gischt, elegante Kurven in Bewegung und Erstarrung nebeneinander.


Auf der Pirsch

Wenn bei uns Schallschutzmauern die Überlandstraßen begleiten, so sind es in Norwegen die Elchschutzzäune. Offensichtlich hat man hier Respekt vor den liebevoll "Moose" genannten Schwergewichtern. Unzählige Warnschilder "Store Elgfare" säumen den Straßenrand. Kollissionen mit Elchen fordern in Norwegen die meisten Todesopfer im Straßenverkehr und ein Elch im Gemüsegarten ist ungefähr gleichzusetzen mit einem Hagelunwetter in Lieboch. Trotzdem geht von den Elchen eine besondere Faszination aus, und nur wer einen gesichtet hat, ist ein echter Nordlandreisender.


Freitag, 7. August 2009

Trollheimen


Trollheimen zeigt sich am Morgen in geheimnisvollem Licht. Die Bergklötze haben eine Halskrause aus Nebelschleiern, grau schauen sie auf das freundliche Innerdalen herab, als wollten sie sagen: "Unten ist eure Welt. Heroben hausen die Trolle!" Wie ein mahnend erhobener Zeigefinger ragt die Felswand in den Himmel, unten im Tal grüne Matten und Birkenwäldchen, der Waldboden mit Schwarzbeerbüschen übersät.
Übrigens: Kann man sich an Schwarzbeeren überessen? Ja, man kann! Mit unserem Beerenrechen haben wir rasch einen Vorrat für die nächsten Tage gesammelt.
Unser Pfad führt über schwarzen Moorboden, der sich bei jedem Schritt schmatzend um unsere Füße schließt. Unsere Trekkingstiefel sind jetzt gerade richtig. Die Hosen sind bald übersät mit Torfpatzen und blauen Schwarzbeerflecken, aber unsere Füße bleiben trocken! Die wenigen Wanderer, denen wir begegnen, stapfen munter in ihren Bergschuhen dahin: Entweder wissen die Norweger nichts von dem Gatschgelände, oder, und das ist wahrscheinlicher, sie sind nicht so zimperlich wie wir. Wenn der Schlamm das erste Mal in die Schuhe hingeschwappt ist, scheint sich eine gewisse Gleichgültigkeit einzustellen. Jedenfalls schauen die Wanderer aus wie Kinder, die mit Begeisterung im Matsch herumgehüpft sind!
Sehr müde kehren wir bei der Renndølsetra ein. Hier könnte man genausogut auf einer steirischen Alm sein! Wir werden mit landesüblichen Waffeln, gefüllt mit himmlischer Marmelade und Sauerrahm verwöhnt.



Man sieht oft etwas hundertmal, tausendmal,
ehe man es zum ersten Mal richtig sieht.

Christian Morgenstern


An dieser Stelle wollen wir alle, die unseren Blog verfolgen und mit ihren Kommentaren bereichern, sowie alle email-Schreiber herzlich grüßen. Leider haben wir meist nur für kurze Zeit Zugang zum Internet und können daher nicht persönlich antworten.
Wir freuen uns aber immer sehr von euch zu hören!! :)

Mittwoch, 5. August 2009

Atlanterhavsveien


Drei Wochen in Norwegen unterwegs und noch keinen Fisch gefangen!? - Jetzt wird es aber Zeit! Angelausrüstung erstanden, noch einige Tipps vom mitleidig lächelnden Verkäufer und als Glückwunsch ein "Shit fish"! Wir wundern uns!
Am Atlanterhavsveien stehen die Fischer Schulter an Schulter und halten ihre Angelruten von der Brücke in den schmalen Sund, durch den das Wasser im Gezeitenwechsel strömt. Learning by doing - einfach nachmachen ist unsere Devise. Nach fünf Minuten zappelt der erste Fisch an der Leine! Wir glauben schon an unser Anfängerglück, da - schwupp - hat er sich befreit und weg ist er. Das war´s dann für den Rest des Tages!
"Shit fish" bekommt plötzlich Sinn!




Es gibt eine Stille, in der man meint,
man müsse die einzelnen Minuten hören,
wie sie in den Ozean der Ewigkeit hinuntertropfen.

Adalbert Stifter